Sonntag, 17. Februar 2013

Allein unter Dünnen – eine Grenzerfahrung



Die Hauptstadt ist ja nun immer eine Reise wert. Vor allem zur Berlinale. Und vor allem wenn sich Stars und Sternchen auf Tuchfühlung bewegen. Irgendwie hatte ich mir ja schon gedacht, dass ich aus dem Rahmen fallen würde, aber die Hoffnung ist ja bekanntlich immer groß in einer Woche noch schnell dreißig Kilo abzunehmen um neben den Dünnen nicht vollends in Depressionen zu verfallen. Da Fotos im allgemeinen immer gut an Gewicht dazu mogeln, hatte ich mich schon beinahe damit abgefunden neben nichts wiegenden Gazellenbeinen mit der Grazie eines Nilpferds zu glänzen. Da sind auch der Shapewear Grenzen gesetzt. 

Doch offensichtlich geht die Wahrnehmung von Körperproportionen zwischen Models/Stars und Nichtmodels/Nichtstars gelinde gesagt zaghaft auseinander. Selbst der Salat bleibt einem im Hals stecken, wenn die 55-Kilo-Tischnachbarin von ihrem letzten Fotoshooting erzählt und großmütig einräumt, dass sie extra auf Kleidergröße 36 aufgespeckt hat um der Durchschnittsfrau Mut zu machen zu ihren Rundungen zu stehen. Auch die Frage nach der eigenen Kleidergröße übergeht man in solchen Fällen gern diskret und in diesem speziellen Fall bekomme ich Gelüste die Tischnachbarin nach Beendigung ihres kleinen Vortrags an eine Heizung zu ketten und mit flüssigem Schweineschmalz zwangszuernähren! Ich tröste mich innerlich damit morgen der ungezügelten Shoppinglust zu frönen und wende das Zwei-Ohren-sind-geeignet-für-Durchzug-Prinzip an.

Im bekanntesten Kaufhaus Berlins erfreue ich mich dann am nächsten Tag auch des ungezügelten Kaufrauschs und besichtige die neuesten Frühjahrskreationen an Taschen, Kleidern, Schuhen und was Frau sonst noch unbedingt zum Leben braucht. Und da ist sie. Ein zerbrechliches Geschöpf wühlt sich durch ganze Reihen von Kleiderbügeln mit zarten Flatterkleidchen und entzückenden Kostümen. Eben denke ich noch „was für eine hübsche Person“ als ich es reden höre, wer in aller Welt denn Kleiderzelte in den Größen S und M braucht? Direkt nachgeschoben wird der Unmut darüber, dass dem Persönchen selbst XS zu groß ist und die Forderung wird laut nach XXS, eine Größe, die ja nun zweifelsohne der deutschen Durchschnittsfrau passen müsste. Es folgt eine Diskussion mit der Verkäuferin, die dem Persönchen klar  zu machen versucht, dass XXS bislang den spanischen Labels vorbehalten ist. Entrüstet rauscht das Persönchen ab. Ich muss zwanghaft daran denken, wie es wohl wäre, wenn ihr Hintern kurzfristig zehn Zentimeter im Umfang zulegen würde und stelle mir ein Melodrama in fünf Akten vor.

Für heute hab ich es aber nicht mehr so damit über Kleidergrößen zu philosophieren und wechsle zu Taschen und Schuhen. Bei letzteren ist es schließlich auch egal, ob man eine 36 oder 42 trägt.

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