Die Hauptstadt ist ja nun immer eine Reise wert. Vor allem
zur Berlinale. Und vor allem wenn sich Stars und Sternchen auf Tuchfühlung
bewegen. Irgendwie hatte ich mir ja schon gedacht, dass ich aus dem Rahmen
fallen würde, aber die Hoffnung ist ja bekanntlich immer groß in einer Woche
noch schnell dreißig Kilo abzunehmen um neben den Dünnen nicht vollends in
Depressionen zu verfallen. Da Fotos im allgemeinen immer gut an Gewicht dazu
mogeln, hatte ich mich schon beinahe damit abgefunden neben nichts wiegenden
Gazellenbeinen mit der Grazie eines Nilpferds zu glänzen. Da sind auch der Shapewear
Grenzen gesetzt.
Doch offensichtlich geht die Wahrnehmung von
Körperproportionen zwischen Models/Stars und Nichtmodels/Nichtstars gelinde
gesagt zaghaft auseinander. Selbst der Salat bleibt einem im Hals stecken, wenn
die 55-Kilo-Tischnachbarin von ihrem letzten Fotoshooting erzählt und großmütig
einräumt, dass sie extra auf Kleidergröße 36 aufgespeckt hat um der
Durchschnittsfrau Mut zu machen zu ihren Rundungen zu stehen. Auch die Frage
nach der eigenen Kleidergröße übergeht man in solchen Fällen gern diskret und
in diesem speziellen Fall bekomme ich Gelüste die Tischnachbarin nach
Beendigung ihres kleinen Vortrags an eine Heizung zu ketten und mit flüssigem
Schweineschmalz zwangszuernähren! Ich tröste mich innerlich damit morgen der
ungezügelten Shoppinglust zu frönen und wende das
Zwei-Ohren-sind-geeignet-für-Durchzug-Prinzip an.
Im bekanntesten Kaufhaus Berlins erfreue ich mich dann am
nächsten Tag auch des ungezügelten Kaufrauschs und besichtige die neuesten
Frühjahrskreationen an Taschen, Kleidern, Schuhen und was Frau sonst noch
unbedingt zum Leben braucht. Und da ist sie. Ein zerbrechliches Geschöpf wühlt
sich durch ganze Reihen von Kleiderbügeln mit zarten Flatterkleidchen und
entzückenden Kostümen. Eben denke ich noch „was für eine hübsche Person“ als
ich es reden höre, wer in aller Welt denn Kleiderzelte in den Größen S und M
braucht? Direkt nachgeschoben wird der Unmut darüber, dass dem Persönchen
selbst XS zu groß ist und die Forderung wird laut nach XXS, eine Größe, die ja
nun zweifelsohne der deutschen Durchschnittsfrau passen müsste. Es folgt eine
Diskussion mit der Verkäuferin, die dem Persönchen klar zu machen versucht, dass XXS bislang den
spanischen Labels vorbehalten ist. Entrüstet rauscht das Persönchen ab. Ich
muss zwanghaft daran denken, wie es wohl wäre, wenn ihr Hintern kurzfristig
zehn Zentimeter im Umfang zulegen würde und stelle mir ein Melodrama in fünf
Akten vor.
Für heute hab ich es aber nicht mehr so damit über
Kleidergrößen zu philosophieren und wechsle zu Taschen und Schuhen. Bei
letzteren ist es schließlich auch egal, ob man eine 36 oder 42 trägt.
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